Italienischer Wein
Heute stehen Italiens Weine gleichberechtigt neben der Grande Nation Frankreich und gehören in mindestens drei Anbaugebieten zur Weltspitze. Piemont, Friaul und Toskana.
Nirgends geht es in Sachen Wein so faszinierend anarchisch und lebendig zu wie Italien. Wo in Frankreich die wichtigen Weine auf die Exportmärkte gereicht wurden, haben italienische Gemeinden ihre Spezialitäten und deren Eigenheiten lange gehegt und gepflegt. Noch immer präsentiert sich das önologische Italien eher als lockerer Verbund und wartet mit ganz unterschiedlichen Kreszenzen auf. Sie entstehen aus rund 1.000 verschiedenen Rebsorten. Zieht man von diesen etwa 500 als lokale Kuriositäten ab, ist es immer noch eine stolze Bilanz.
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Podere 414
Vite Colte
Li Veli
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Ciacci Piccolomini d´Aragona
Colli del Soligo
Ciacci Piccolomini d´Aragona
La Grande Belezza
Tatsache ist, dass heute einige der weltbesten Weine aus Italien kommen, und dennoch wollen viele das noch nicht so recht glauben. Während der 250 Jahre, in denen Frankreich die Qualität und Reputation seiner Gewächse vorantrieb und seine erstklassigen Reben vermehrte, blieb der Weinbau in Italien eine Privatangelegenheit. Wein war eine Selbstverständlichkeit, ein Grundnahrungsmittel wie Brot und wurde infolgedessen bis weit ins letzte Jahrhundert hinein nicht an nationalen, geschweige denn an internationalen Standards gemessen. Als solche Vergleiche schließlich doch stattfanden, blieb es nicht aus, dass das Land als Lieferant von einfachen Wein abgestempelt wurde, der für wenig Geld im Supermarkt angeboten oder als etwas ganz anderes ausgegeben wurde. Bis zum heutigen Tag werden unvorstellbare Mengen per Tankwagen in andere Teile der EU geschafft. Das sogar im Land selbst heimlich und illegal Partien aus verschiedenen Regionen zusammen gepasst werden, fördert nicht gerade das Image des italienischen Weins.
In den letzten Jahren haben sich Einstellung und Praxis radikal gewandelt. Fröhlich experimentieren Erzeuger mit unkonventionellen Ideen, Rebsorten und Kellertechniken und bringen die oft eigenwilligen Resultate gern mit Designer–Etiketten, teils auch in ungewöhnlichen Flaschen in den Handel. Ihren nicht minder extravaganten Preisen werden die Produkte jedoch leider nicht immer gerecht. Auf der anderen Seite haben diese „revolutionäre Umtriebe", die die Regeln des DOC–Systems bewusst aushebeln, mit unter geradezu überragende Weine entstehen lassen, die zu Bannerträgern des neuen Italiens avancierten.
Tignanello Weinprobe mit Marchesi Piero Antinori.
Als gleichermaßen bedeutet erwiesen sich neue Entwicklungen auf offizieller Ebene. Mit dem 1992 verabschiedeten Weingesetz wurde ein Hierarchiesystem von Gütesiegeln eingeführt: ganz oben stehen dabei die DOCG-Etiketten (Denominazione di Origine Controllata e Garantita), direkte gefolgt von den DOC-Weinen (Denominazione di Origine Controllata), von denen es über 325 gibt und auf die 20 % der italienischen Produktion entfallen. Vor den vini da Tavola(Tafelweinen), wurde die Kategorie IGT eingeschoben. Sie gilt für Weine aus einem größeren Ursprungsgebiet und stellt weniger hohe Anforderungen an die Qualität als das DOC-Siegel. Diese Kategorie hat Weinen, die früher in der anonymen Flut der vini da tavola untergingen, zu einer klaren Identität verholfen. Sie ermöglicht darüber hinaus bessere Produktionskontrollen, da anders als für vini da tavola Ertragsobergrenzen vorgeschrieben sind. Dennoch bietet sie den Verbraucher nur bedingt Orientierung, kann er doch an ein Erzeugnis mit weniger Charakter und Substanz eben so geraten wie ein Gewächs erster Güte.
Das DOC–System wurde 1963 in Anlehnung an das französische AC–System zu Reglementierung der italienischen Qualitätsweinerzeugung eingeführt. Es spezifiziert gesetzlich verbindlich die Merkmale, Herkunft, Rebsorten und Ertragsmengen, den Alkoholgehalt, die Bereitungsmethoden und die Lagerungszeit eines bestimmten Weins oder einer Gruppe von Weinen, so wie sie vom Konsortium der jeweiligen Erzeuger gemeinsam mit einer Expertenkommission in Rom festgelegt wurden. Allerdings sieht es in der Praxis so aus, dass die meisten guten Erzeuger diejenigen Regeln befolgen, die ihrer Meinung nach zu Qualität oder zum typischen Charakter des Weins beitragen, und umgekehrt jene missachten, die ihnen dafür als ungeeignet erscheinen, etwa den traditionsgemäß extrem lang Fassausbau. Bis vor einigen Jahren schrieb eine weitere (absurde) Regel vor, dass Chianti Classico einen gewissen Anteil an Weißweintrauben enthalten müsse. Davon konnten zwar Winzer mit großen Beständen Trebbiano profitieren, aber sicherlich keine auf Sangiovese basierenden Weinen. Folglich taten die Qualitätsbewussten Erzeuger einfach so, als gäbe es diese Vorschrift nicht. In den nachfolgenden DOC-Listen sind deshalb nicht sämtliche Vorschriften en detail, sondern nur die wichtigsten Merkmale der jeweiligen DOC berücksichtigt.
Das DOC-System ist insofern ein paradox, als es eine Tradition zementiert, d.h., einen bestimmten Typ Wein zu einem bestimmten Zeitpunkt so und nicht anders definiert – und dies in einer Zeit, in der Weinbau und Kellertechnik einen Stand erreicht haben, von dem man früher nicht einmal zu träumen wagte, in der Kalifornien (in dieser Hinsicht ein extremes Beispiel) vormacht, was es bedeuten kann, Freiheiten zu nutzen, die Jahr um Jahr zu noch aufregenden Weinen führen. Dem Weinliebhaber sei daher geraten, keine kategorischen Unterschied zwischen DOC und anderen Weinen zu machen, sondern sie lediglich vor Augen zu halten, das DOC Weine „traditionell" bereitet und amtlichen Vorschriften unterworfen sind.
Als weiterer Schritt zur Regulierung mancher DOCs wurden die zusätzliche Kategorie DOCG eingerichtet. Das „G" steht für garantita und könnte zu dem Schluss verleiten, diese Weine sein garantiert die besten Italiens. Jedenfalls sind sie Spitze, was die Kontrolle ihres Ursprungs betrifft. Barbaresco, Barolo, Brunello die Montalcino und Vino Nobile die Montepulciano erhielten als erste das DOCG–Prädikat. Es folgte Albana di Romagna, bei dem man sich fragt, wie ernst das „G" zu nehmen ist. Einige Ernennungen jüngeren Datums sind wohl ebenso als Politikum wie als qualitatives Statement zu werten.
Alte Weinberge sind allgegenwärtig im italienischen Landschaftsbild.
Es ist schwer, den gegenwärtigen Zustand des italienischen Weinbaus in wenigen Worten zusammenzufassen. Investitionen in moderne Ausrüstungen und neue Ideen haben in jüngster Zeit wunderbare Ergebnisse gezeigt, aber auch gute alte Freunde ihres Charakters beraubt. Bis jetzt hat die moderne Schule sowohl außerordentlich langweilige als auch höchst brillante Weine hervorgebracht. Wer fürchtet, Italien würde in einer Flut internationale Rebsorten ertrinken, wurde eines Besseren belehrt. Italienische Winzer haben sich zwar an Cabernet sauvignon, Merlot, Chardonnay und Syrah versucht, sind jedoch trotzdem ihren traditionellen Rebsorten treu geblieben.
Wir lieben Italien, seine Landschaft, seine Architektur und seine Menschen, aber auch das Essen von dort, weil es sehr ursprünglich und vielfältig ist. Wir mögen gute italienische Restaurants, denn selbst die besten unter ihnen sind ziemlich anders als alle anderen. Die Speisen in einem französischen Restaurant sind meist wie ein Theaterbesuch, das Essen beim Italiener wie ein Gang ins Kino: ein nicht ganz so außergewöhnliches Ereignis, dafür mit mehr Spaß verbunden. Vor allem aber lieben wir italienischen Wein – und trinken ihn auch oft.
Italienische Rebsorten
Die Liste der italienischen Traubensorten ist sicherlich eine der längsten der Welt. In einem Land, in dem der Weinbau eine so universelle Rolle spielt und auf eine jahrtausendealte Tradition zurückblickt, hat die lokale Sortenselektion die Ursprünge verwischt und die Zusammenhänge zwischen vielen Sorten unkenntlich gemacht. Wäre ein Fisch, der vor der Küste Tunesiens gefangen wurde und mit einem arabischen Namen bezeichnet wird, ein anderer, wenn man ihn aus der Adria gezogen und so genannt hätte, wie es in der Romagna üblich ist? Die Trauben Italiens sind kaum weniger schlüpfrig.
Ganz allgemein kann man sagen, dass die Selektion in Italien auf der Grundlage der Fruchtbarkeit und kräftigen Gesundheit gemeinsam mit der Anpassungsfähigkeit an den Boden und einer zuverlässigen Reife stattgefunden hat und nicht so sehr nach Gesichtspunkten großer Geschmacksqualitäten oder langer Haltbarkeit. Die große Masse der italienischen Traubensorten ist deshalb eher robust und gesund als inspirierend, ihr Geschmack verhalten bis neutral. Die einzige Traube von internationaler Klasse, die möglicherweise aus Italien stammt, ist der Traminer (Gewürztraminer) aus Südtirol. Fängt man aber erst einmal an, die Ausnahmen – also die italienischen Reben mit echter Persönlichkeit und potenziell hoher Qualität – aufzuzählen, dann kommt es einem seltsam vor, dass erst so wenige sich in der Welt einen Namen gemacht haben: Nebbiolo, Barbera, Teroldego, Sangiovese, Sagrantino, Montepulciano, Nero d'Avola und Aglianico sind Sorten, in denen viel Gutes steckt. Erstklassige Weißweintrauben gibt es weniger, aber Ribolla, Friulano, Cortese, Fiano, Falanghina, Greco, Verdicchio und Vermentino erbringen durchaus eigenständige Weine und der piemontesische Moscato ist zwar kein exklusiver Italiener, wohl aber eine unverkennbar italienische Interpretation der ältesten aller Sorten.
Inzwischen tauchen immer häufiger die Namen Cabernet, Merlot, Pinot bianco, Chardonnay und Riesling auf, während Pinot grigio in Deutschland und Nordamerika beliebt geworden ist. Der Nordosten Italiens ist mit seinen Reben schon fast so international wie die Weinbaugebiete der Neuen Welt. Der Trend zu Cabernet Sauvignon, Syrah und Chardonnay in der Toskana hat sich aber etwas verlangsamt, denn die Weinbauern erkennen wieder den Wert ihrer einheimischen Schätze.
Die Welt beginnt Italiens Abwechslungsreichtum allmählich zu würdigen. So wird man gut daran tun, den ureigenen, landestypischen Geschmack aufs Höchste zu entwickeln, denn was die Vielfalt der Weine betrifft, muss Italien hinter keinem anderen Land - Frankreich eingeschlossen - zurückstehen. Für die Nennung der Rebsorten auf den Etiketten gibt es keine allgemeingültigen Regeln: Die lokale Tradition entscheidet, ob ein Wein nach dem Ort, der Traube oder einem anderen Namen benannt wird. Beim gegenwärtig steigenden Sortenbewußtsein werden die Winzer hierauf wahrscheinlich künftig mehr Rücksicht nehmen.